Schweizerische Gesellschaft der Vertrauens- und Versicherungsärzte

Gynäkologie und Geburtshilfe

Der Vertrauensarzt wird konfrontiert mit Fragen zu neueren Operationstechniken wie interventionell-radiologischen Methoden oder Beckenbodenchirurgie, zur Kostenbeteiligung für Mutterschaftsleistungen und ab der 13. Schwangerschaftswoche für allgemeine Leistungen und Pflegeleistungen bei Krankheit sowie durch die erweiterte Kostenübernahme bei den vorgeburtlichen genetischen Untersuchungen und den fetaltherapeutischen Massnahmen. Die Diskrepanzen zwischen den gesetzlichen Bestimmungen und den fachlichen Empfehlungen zur gynäkologischen Vorsorgeuntersuchung (Zervixabstrich) und zur elektiven Sectio führen oft zu Diskussionen.

1. Gynäkologie

Gynäkologische Vorsorgeuntersuchung

Zervixzytologie („PAP-Abstrich“) (Art. 12e Bst b KLV):

  • Initial 2 Untersuchungen im Jahresintervall und danach mit dreijährlichem Intervall. Dies gilt bei jeweils normalen Untersuchungsbefunden, ansonsten sind die Intervalle nach klinischem Ermessen festzulegen. Bei unauffälligen Befunden (PAP I und II; NILM, negative für intraepithelial lesion) bis zum 70. Altersjahr kann auf weitere Untersuchungen verzichtet werden. Konventionelle Färbung (Papanicolau-Test) und Dünnschichtzytologie (Methoden ThinPrep oder Autocyte Prep / SurePath) sind anerkannt.
  • Der HPV-Nachweis beim Zervix-Screening-Nachweis ist nicht PL (KLV, Anhang 1, 3.). Davon abzugrenzen ist die Situation nach abnormem zytologischem oder histologischem Befund der Zervix. Hier ist die HPV-Abklärung indiziert, da deren Resultat in die Planung der Folgemassnahmen einfliesst und folglich PL.

Plastische Chirurgie an Vulva und Vagina (exkl. Deszensus- u/o Inkontinenzoperationen)

Gesuche zur Kostenübernahme für Labienplastiken sind abzulehnen, auch bei Begründung Dyspareunie oder Störung bei sportlicher Aktivität (z.B. Radfahren) (LINK zu PRAC). Bei extremer Asymmetrie oder nach traumatischer Narbenbildungen der Labien kann ausnahmsweise eine Kostenübernahme empfohlen werden. Eine Bilddokumentation sollte mit Rücksicht auf die betroffene Frau nur im Falle eines Wiedererwägungsantrags angefordert werden.

Hymenalspaltungen oder Introituserweiterungen bei kongenitaler Verengung sind äusserst selten medizinisch indiziert. Gesuche zur Kostenübernahme müssen dementsprechend klar begründet werden. Dagegen können narbenbedingte Dyspareunien nach meistens geburtsbedingten Verletzungen Krankheitswert besitzen und eine Kostenübernahme rechtfertigen.

Untersuchungen und Eingriffe an Zervix oder Uterus (Anhang 1 und 1a KLV)

Eine Hospitalisierung ist angezeigt bei Eingriffen mit Resektionen am Myometrium (Septumresektion, Myomektomie, Radiofrequenzablation und Embolisation von Myomen) und bei hysteroskopischer Endometrium-Resektion. In diesen Fällen ist eine stationäre postoperative Überwachung während 24 Stunden wegen der erhöhten Gefahr eines Einschwemmsyndroms und zur Kontrolle postoperativer Schmerzen geboten.

Laparoskopische Eingriffe

Therapeutisch-laparoskopische Eingriffe mit ausgedehnteren Adhäsiolysen u/o Organ(teil)resektionen oder Laparoskopien wegen Extrauterinschwangerschaften bedürfen einer stationären Betreuung.

Sterilisation und Refertilisation

Gesuche für Sterilisation nach abgeschlossener ­Familienplanung, welche z.B. mit Unverträglichkeit oder Kontraindikation eines Ovulationshemmers wegen Venenproblemen begründet werden, sind abzulehnen. Nur krankhafte Zustände, nicht aber Risikofaktoren, begründen eine LP.

Die Refertilisierung stellt in der Regel keine PL dar (siehe Kapitel "Urologie").

Hypermenorrhoe

Alltagstaugliche Kriterien zur Festlegung einer LP aus den uneinheitlichen Definitionen und Angaben charakteristischer Symptome in der Fachliteratur abzuleiten ist schwierig. Die Messung der Gesamtblutungsmenge (pathologisch > 150 ml) ist nicht realisierbar. Die Frequenz von Tampon-/Bindenwechseln häufiger als z.B. 2stündlich mag trotz Subjektivität ein akzeptabler Indikator sein. Zweckdienlich erscheint es v.a. auch die Feststellung von Koageln im Menstruationsblut gelten zu lassen.

Mirena® IUP mit 52mg Levonorgestrel (SL, Limitatio). Im Gegensatz dazu sind die niedrigdosierten IUP (13.5 mg und 19,5 LNG) keine LP.

Nichtärztliche Therapeuten

Die Behandlung von Blasenstörungen durch Physiotherapeutin oder Hebamme ist PL. In der Regel hat eine Serie à 9 Behandlungen zu genügen. Die Behandlung rechtfertigt in der Regel nicht das Verrechnen einer aufwändigen Sitzung (Pos. 7311).

2. Reproduktionsmedizin und Gynäkologische Endokrinologie

In der Regel werden Diagnostik und Therapie nach Ausbleiben einer Schwangerschaft nach einem Jahr und bei einer über 35jährigen Frau nach 6 Monaten regelmässigen und ungeschützten Geschlechtsverkehrs eingeleitet. Die Sterilität hat Krankheitswert, deren Behandlung somit PL. Die Diagnostik geht bei der Frau und beim Mann je zu Lasten des eigenen Krankenversicherers.

Die alleinige Beachtung des Alters ist wegen der grossen Variabilität der Abnahme der Fertilität zur Begrenzung der LP nicht zulässig (9C_435/2015 und 9C_878/2015). Zur Entscheidungsfindung hinsichtlich einer Kostenübernahme sind weitere individuelle Kriterien zu berücksichtigen. Die Fertilität wird von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst. Hormonelle Parameter vermögen das Geschehen nur unvollständig abzubilden, bieten dafür den Vorteil einer brauchbaren Praktikabilität zur individualisierten Beurteilung. Denkbar ist, dass anstelle der verworfenen Alterslimite die sog. ovarielle Reserve (Anti-Müller-Hormon AMH, u.a.) als zusätzliches Kriterium eingeführt wird (alternativ z.B. die sonographische Dokumentation der Follikelreifung).

Im kritischen Altersbereich über 35 Jahren ist für das AMH ein max. 3 Monate alter Wert von ≥ 0,4 ng/ml zu fordern (cave: verschiedene Angaben in der Literatur 0,4–1,0 ng/ml; zudem unterschiedliche cut-off-Werte der Labors). In der Regel wird im Einzelfall die klinische Situation weitere Abklärungen bzw. das Beiziehen weiterer Parameter angezeigt erscheinen lassen, was hier nicht abschliessend aufgelistet werden kann.

Eine Hospitalisierung im Zusammenhang mit der Durchführung einer IVF ist keine PL. Dagegen ist die Therapie einer Komplikation jeder Art von Sterilitätsbehandlung – unabhängig von der ursprünglichen LP - PL.

Pflichtleistungen

  • Monofollikuläre Stimulation mit Gonadotropinen ist PL, sofern sie nicht Teil einer IVF-Behandlung ist.
  • Limitatio der Gonadotropine und Clomifen: Maximale Behandlungsdauer ein Jahr, was in der Praxis mit 12 Zyklen gleich gesetzt wird. Eine Ovarstimulation sollte weder mit Gonadotropinen noch mit Clomifen während mehr als 3, keinesfalls mehr als 6 Zyklen ununterbrochen durchgeführt werden. Nach einer Konzeption beginnt die Zählung von neuem.
  • Intrauterine Insemination. Die maximale Anzahl liegt bei drei Therapiezyklen pro Schwangerschaft (Kap. 3, KLV, Anhang 1).
  • Kryokonservierung zur Erhaltung der Fertilität bei an Krebs erkrankten Jugendlichen und Erwachsenen (Kap. 2, KLV, Anhang 1).

NPL

  • IVF (in vitro fertilisation)
  • ICSI (intra cytoplasmatic sperm injection)
  • GIFT (gamete intrafallopian transfer; Synonym ITGT, intratubarer Gametentransfer)
  • ZIFT (zygote intrafallopian transfer)
Die bei diesen Behandlungen verschriebenen Arzneimittel sind ebenfalls nicht pflichtig, selbst wenn sie auf der SL figurieren, da sie an eine NPL gebunden sind.

Ausnahmsweise wird IVF PL:

  • Sterilität der Frau, sofern durch Gelbkörperinsuffizienz und Vorhandensein von Anti-Sperma-AK bedingt (BGE 121 V 289)
  • Primäre (multifaktorielle) Sterilität bei einem Paar, dessen Kinderwunsch während drei Jahren unerfüllt blieb (BGE 121 V 302)

3. Schwangerschafts- und Geburtsmedizin

Seit 2014 gilt die Bestimmung (Art. 64 Absatz 7 KVG), dass für die von Ärzten und Hebammen nach Art. 29 Absatz 2 KVG erbrachten Leistungen und ab der 13. SSW (d.h. ab 12 0/7 SSW) bis 8 Wochen nach der Geburt auch für allgemeine Leistungen und für Pflegeleistungen bei Krankheit nach Art. 25 und Art. 25a KVG keine Kostenbeteiligung erhoben werden darf. Wegen Unklarheiten bei der Umsetzung dieser Bestimmungen hat das BAG am 16. März 2018 ein Informationsschreiben publiziert.

Normale Schwangerschaft (Art. 13–16 KLV)

Risikoschwangerschaft / Pathologische Schwangerschaft

Für die Risikobeurteilung bestehen keine speziellen Bestimmungen. So wird eine Risikoschwangerschaft nach dem Vorliegen eines oder mehrerer Risikofaktoren mit sehr unterschiedlichem pathogenem Potential definiert:

Gynäkologisch-geburtshilfliche Risikofaktoren

  • Eintritt der Schwangerschaft mit Hilfe einer Sterilitätsbehandlung
  • St.n. Risikoschwangerschaft (≥ 2 Frühaborte, ≥ 1 Spätabort, Frühgeburt, hypertensive Erkrankung in der Schwangerschaft, Gestationsdiabetes, intrauterine Wachstumsrestriktion oder Fruchttod, kindliche Fehlbildungen oder Erkrankungen)
  • St.n. transmuralen Operationen am Uterus inkl. Sectio caesarea
  • Uterusanomalien (z.B. U. bicornis; St.n. Eingriffen an Cervix uteri, z.B. Konisation)

Allgemeine gesundheitliche Probleme und konstitutionelle Faktoren

  • Primipara ≤ 17 oder ≥ 38 Jahre; Multipara ≥ 40 Jahre
  • BMI < 18 oder > 30
  • Diabetes mellitus (alle Formen) u. weitere endokrinologische Erkrankungen (z.B. Hypo-/Hyperthyreosen)
  • Autoimmunerkrankungen mit Auswirkungen auf die Gerinnungsfunktion (z.B. Lupus erythematodes disseminatus, Kollagenosen, Antiphospholipid-Antikörpersyndrom, Immunthrombozytopenie)
  • Thrombophilien (z.B. Antithrombin Mangel; Faktor-V-Leiden-Mutation; Prothrombin-G20210A-Mutation; Protein-C-Mangel; Protein-S-Mangel; Hyperhomozysteinämie); St.n. thromboembolischer Erkrankung ohne nachgewiesene Thrombophilie
  • Hämatologische Erkrankungen (Anämie, Thalassämie, Sichelzellerkrankung)
  • Kardiovaskuläre Erkrankungen inkl. Hypertonie
  • Nierenerkrankungen
  • Gastroenterologische Erkrankungen (z.B. M. Crohn, Colitis ulcerosa)
  • Neurologische Erkrankungen (z.B. Epilepsie, Myasthenia gravis, Multiple Sklerose)
  • Paraplegie
  • Psychiatrische Erkrankungen; Anorexie, Bulimie
  • Alkoholismus; Drogenkonsum; Arzneimittelabusus
  • Häusliche Gewalt
  • St.n. Organtransplantation
  • Maligne Erkrankung oder St.n. (spez. Radio- oder Chemotherapie)
  • Genetische Erkrankungen (z.B. Marfan-Syndrom, Mukoviszidose)
  • Chirurgische abdominale Eingriffe während der Schwangerschaft (z.B. Appendektomie)

Risikofaktoren bzw. Pathologien im Zusammenhang mit der aktuellen Schwangerschaft

Bei mit * markierten Begriffen ist von einer pathologischen Schwangerschaft zu sprechen.

  • Frühgeburtsbestrebungen* (vorzeitige Wehentätigkeit, vorzeitige Zervixeröffnung, vorzeitiger Blasensprung)
  • Blutungen in zweiter Schwangerschaftshälfte
  • Überschreitung des Geburtstermins
  • Hypertensive Erkrankungen in der Schwangerschaft*
  • Verzögerung des intrauterinen Wachstums*; Makrosomie des Feten
  • Pathologischer Ultraschallbefund* (Fehlbildungen am Fetus), Oligohydramnion; Polyhydramnion, pathologische Blutflussbefunde in uterinen, plazentaren u/o fetalen Gefässen)
  • Verminderte Kindsbewegungen
  • Icterus in graviditate* (Schwangerschaftscholostase).
  • Zystitis, Pyelonephritis*
  • Blutgruppenunverträglichkeit* (z.B. Rhesusinkompatibilität); Alloimmunthrombozytopenie; Alloimmungranulozytopenie
  • Infektionskrankheiten* (Chlamydien, Gonorrhoe, Hepatitiden, Herpes, HIV, Lues, Röteln, Tuberkulose, Toxoplasmose, Varizellen, Zytomegalie, Ringelröteln)
  • Mehrlingsschwangerschaft (pathologisch* im Falle von Komplikationen wie z.B. fetaler Wachstumsdiskrepanz)
  • Regelwidrige Kindslage nach 34 SSW (z.B. Beckenendlage)
  • Plazentationsstörungen (Placenta praevia, V.a. Placenta increta/percreta; peripartal aufgrund des fast zwingend abnormen Blutverlustes de facto immer mit manifester Pathologie*); ektope Schwangerschaft* (kornual, Zervix)

Vorwiegend für Entbindung bzw. peripartal relevante Risikofaktoren

  • Kleinwuchs < 155 cm
  • Beckenanomalien
  • Hohe Multiparität (> 4 Geburten; als Risiko vorwiegend peripartal relevant).
  • St. n. Atonie
  • Blutungsneigung (z.B. M. von Willebrand)
  • Antikoagulation peripartal erforderlich (bei sehr hohem Thromboserisiko)

Operationen in der Schwangerschaft

Bei therapeutischen Eingriffen am Uterus bei intakter Schwangerschaft (z.B. Cerclage, Eingriffen bei zwingend kontroll- u/o therapiebedürftiger Dysplasie der Zervix, Aufrichtung bei symptomatischer Retroversio uteri) wie auch bei diagnostischen Laparoskopien ist in der Regel eine stationäre Behandlung zu empfehlen.

Elektive Sectio

Unter elektiver Sectio wird an dieser Stelle die geplante Kaiserschnittentbindung auf Wunsch der Schwangeren ohne medizinische Indikation verstanden. Es gibt viele gute Gründe grundsätzlich der vaginalen Geburt den Vorzug zu geben und dafür auch einzustehen.

Unabhängig von der auf weiten Strecken emotional geführten Debatte muss dennoch anerkannt werden, dass die Frage einer Erfüllung der WZW-Kriterien der Geburtsmodi unter Berücksichtigung der Langzeitgesundheit bzw. -morbidität einer Frau in unserem Gesundheitssystem nicht geklärt ist. Was den Vergleich der kurzzeitig anfallenden Kosten betrifft, so dürfen nicht die Kosten einer elektiven Sectio mit den Kosten einer unkomplizierten vaginalen Geburt inkl. der Wochenbettpflege verglichen werden. Es müssen die durchschnittlichen Kosten einer geplanten Sectio, welche auch einmal ungeplant vorzeitig durchgeführt werden muss, mit den durchschnittlichen Kosten der als vaginale Entbindungen geplanten, dann aber infolge einer während des Geburtsprozesses eintretenden Indikation als sekundäre Sectiones (ca. 5–20%, je nach Parität) oder vaginal-operativ beendeten Geburten verglichen werden. Die Infragestellung der Sectioindikation aus Kostengründen steht deshalb auf unsicherem Grund.

Nicht in Frage gestellt werden darf die LP bei einer Resectio. Eine Entbindung bei St.n. Sectio stellt unabhängig vom gewählten Modus immer eine Risikogeburt dar. Für die Entscheidung zum Versuch einer vaginalen Entbindung besteht eine Liste von Voraussetzungen. Die Entscheidungsfreiheit der informierten Schwangeren darf nicht eingeschränkt werden. Es gilt zu bedenken, dass die Wahrscheinlichkeit einer sekundären Resectio je nach Kollektiv bei ca. 20–40% liegt und die Folgen der gefürchteten, glücklicherweise seltenen Uterusruptur für Mutter und Kind gravierend sein können. Die sekundäre (Re-)Sectio ist eindeutig die risikoreichere Operation als die primäre (Re-)Sectio. Die gynécologie suisse unterstützt den vorsichtig geleiteten Versuch zur vaginalen Geburt bei St.n. Sectio, stuft aber diesen Zustand gleichzeitig als relative Indikation zur Resectio ein (https://www.sggg.ch/fuer-frauen/patientinneninformationen/).

Pränatale Diagnostik und Therapie

Screening auf Trisomien 21, 18 und 13 mittels Ersttrimestertests (ETT) nach entsprechender Information, unter Gewährung des Selbstbestimmungsrechts und unter Einhaltung weiterer Bedingungen als Teil der Schwangerschaftsvorsorge ist PL (Art. 13 KLV). Resultiert aus dem ETT ein Risiko für eine dieser Trisomien von ≥ 1:1000 (z.B. 1:850), so unterliegt auch der nicht-invasive pränatale Test (NIPT) der LP. Es handelt sich dabei um einen „fortgeschrittenen“ Screeningtest und nicht um einen definitiven diagnostischen Test. Mit dieser Technik kann auch nach weiteren Aneuploidien sowie nach strukturellen Chromosomenanomalien gesucht werden (nicht PL).

Zur Bestätigung/Ausschluss eines pathologischen NIPT- Befundes ist eine invasive pränatale Diagnostik indiziert und PL. Numerische Grundlage (cut-off) für weitergehende, d.h. invasive genetische Untersuchungen bildet das Risiko einer 35-jährigen Schwangeren von 1:380 am Termin für eine Trisomie 21 ihres Kindes. Ein Alter der Schwangeren von ≥ 35 Jahren zum Zeitpunkt des errechneten Geburtstermins begründet per se die LP einer invasiven pränatalen Diagnostik.

Als ausgesprochen hilfreiche Orientierungshilfe hat sich das bereits einmal erwähnte Dokument „Informationsschreiben: Leistungen bei Mutterschaft und Kostenbeteiligung“ des BAG vom 16. März 2018 erwiesen (Link).

Ultraschalldiagnostik (Art. 13 Bst. b KLV):

Hinweis zu den Kontrollen in der Risikoschwangerschaft:

  • Zur Beurteilung der klinischen Notwendigkeit dieser Untersuchungen können ebenfalls die genannten Empfehlungen der SGUM herangezogen werden (BAG 16.03.2018).

Ersttrimestertest (ETT) (Art. 13 Bst. bbis KLV):

Hinweise:

  • „Weitere mütterliche und fötale Faktoren“ bedeutet konkret: unter Berücksichtigung des mütterlichen Alters und ev. Aneuploidien bei früheren Schwangerschaften, sowie der Scheitel-Steiss-Länge.
  • Es kann wegen höherer Diskriminierung auch ein zweizeitiges Vorgehen mit einer Blutentnahme zur Bestimmung von PAPP-A und freiem ß-HCG bereits in der 10. SSW gewählt werden.
  • Bei Schwangerschaften nach ART (assistierter Reproduktion) und bei Zwillingsschwangerschaften (spontan oder nach ART) erfolgt die Risikokalkulation i.d.R. nur mittels Alter und Nackentransparenz, mit gleichen Grenzwerten für das weitere Vorgehen. (https://www.sggg.ch/fachthemen/expertenbriefe)/

Nicht-invasiver pränataler genetischer Test (NIPT) (Art. 13 Bst. bter KLV):

Hinweise:

  • Grundlage der Risikoberechnung ist obligat ein ETT. In Situationen, bei denen kein ETT vorliegt (und nur dann), kann die Risikoberechnung z.B. auch aus einem Zweittrimestertest vorgenommen werden.
  • Ab einem Risiko ≥ 1:10 werden die Einholung einer Expert Opinion zum Ausschluss von Fehlbildungen vor einem NIPT und primär eine invasive Abklärung empfohlen.
  • Zum Vorgehen bei sonographischen Hinweisen auf fetale Fehlbildungen: siehe unten.

Amniozentese, Chorionbiopsie, Cordozentese (Art. 13 Bst. d KLV)

Hinweise zu den Indikationen für genetische Abklärungen mittels Karyotypisierung, evtl. ergänzt durch Microarrays (array CGH) oder mittels molekulargenetischer Analyse:

  • Indikation ETT: Der cut-off von ≥ 1:380 bezieht sich auf das Risiko am Termin; bei der Angabe des Wertes zum Zeitpunkt der Untersuchung gilt ein cut-off von ≥ 1:300.
  • Indikation NIPT: Vorliegen einer numerischen oder strukturellen Chromosomenanomalie im NIPT.
  • Zu den weiteren Indikationen mit einem „Risiko von ≥ 1:380 für eine ausschliesslich genetisch bedingte Erkrankung des Feten“: zur Indikation Ultraschallbefund: dazu zählt auch ein alleiniger Befund einer Nackentransparenz > 95. P.; zur Indikation Familienanamnese: dazu zählen sowohl Chromosomenanomalien wie auch monogene Erbleiden; zur Indikation „aus einem andern Grund“: dazu zählt auch ein Alter der Schwangeren am Termin ≥ 35 Jahre.
  • Microarray-Analysen (AL 2018.05) sind indiziert und PL: bei Nackentransparenz > 95. P. oder bei anderweitigen fetalen Ultraschallanomalien nach Ausschluss der klassischen Trisomien an fetalem Material oder zur Klärung eines auffälligen Befundes in der konventionellen Karyotypisierung.
  • Indikation „Gefährdung des Fetus durch eine Schwangerschaftskomplikation, eine Erkrankung der Mutter oder eine nicht genetisch bedingte Erkrankung oder Entwicklungsstörung des Fetus“: Dazu gehören z.B. Abklärungen bei Verdacht auf intrauterine Infektionen, hämatologische oder endokrine Erkrankungen, die Überprüfung der Lungenreifung aus dem Fruchtwasser (nur noch selten praktiziert; von den dafür verwendeten Tests ist nur die S/A-Ratio in der AL gelistet).
  • Die seltene Punktion des Fetus (Fetozentese, z.B. Harnblase oder Pleuraerguss) kann allein diagnostisch oder kombiniert diagnostisch-therapeutisch indiziert sein; siehe unten bei „intrauterine Therapie“.
  • Zur Nomenklatur: Im 2. und 3. Trimenon wird anstelle von Chorionbiopsie (Chorionzottenbiopsie) von Plazentese gesprochen.

Molekulare Genotypisierung fetaler AG aus mütterlichem Blut (AL 2150.02)

Hinweise zu den Indikationen:

  • Dokumentierte Alloimmunisierung der Schwangeren und Heterozygotie oder unbekannter Genotyp des Vaters zur Planung der Schwangerschaftsüberwachung; Abklärung bei allen RhD-negativen Schwangeren und nicht dokumentiert RhD-negativem Vater, mit dem Ziel der Vermeidung einer unnötigen, sonst üblichen antepartalen Sensibilisierungsprophylaxe mit Anti-D-Ig.
  • Zu diesem Thema wird demnächst eine nationale Empfehlung erwartet.

Intrauterine Therapie

Medikamentöse, transplazentare Behandlungen in der Regel OLU, Kostenübernahme zu empfehlen.

Invasive Interventionen in dafür spezialisierten Zentren, z.B. therapeutische Amniozentese, Laser-Intervention bei Feto-fetalem Transfusionssyndrom, therapeutische Fetozentese, offene oder endoskopische Fetalchirurgie sind PL.

Präpartale Untersuchungen mittels Kardiotokographie (Art. 13 Bst. c KLV):

Bei entsprechender Indikation in der Risikoschwangerschaft. Hinweis: Ab Erreichen des Termins, d.h. ab 40 0/7 SSW, beginnt die Überwachung bei Terminüberschreitung. Damit ist ab diesem Zeitpunkt auch bei sonst risikoarmer Schwangerschaft die LP gegeben.

Arbeitsunfähigkeit in der Schwangerschaft

Bei klarer Verletzung der gesetzlichen Auflagen zur Arbeitsplatzsicherheit Schwangerer ist vom betreuenden Arzt ein Arbeitsverbot zulasten des Arbeitsgebers auszusprechen und nicht eine Arbeitsunfähigkeit zu bescheinigen (Art. 35ff ArG). Voraussetzung ist allerdings, dass die Schwangere in einem dem ArG unterstellten Betrieb arbeitet.

Pränatale Diagnostik und Therapie: Mitarbeit PD Dr. med. Siv Fokstuen

September 2019
Dr. med. Gero Drack

Schweizerische Gesellschaft der Vertrauens- und Versicherungsärzte

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